Auf dem spirituellen Pfad – dem “inneren Weg” – durchläuft der Mensch verschiedene  Bewusstseinsebenen. Diese wurden als “Entwicklungsstufen der Seele” von Therese von Avila (1515-1582, spanische Karmelitin und Heilige) in ihrem Buch “Innere Burg“ beschrieben. Therese bezeichnet hierin jede Entwicklungsstufe als “Haus (Casa)”, insgesamt gibt es sieben Häuser. Diese Unterteilung gibt dem Suchenden die Möglichkeit zu erkennen WO er steht, WAS ihn auf der jeweiligen Entwicklungsstufe erwartet und dient somit als Hilfestellung auf diesem Weg. Diese Häuser sind nicht nur „linear“ nacheinander wie Stufen geordnet, sondern befinden sich ringsherum um das Zentrum-Haus, das 7., Göttliche, und greifen auch oft ineinander, wobei der Mensch sich bis zum 7. durch alle Häuser, von „außen nach innen“ entwickelt.

Die sieben Häuser der Therese von Avila
(Die Seele ist das wahre Abbild Gottes)

I. Haus
Motto: Selbsterkenntnis, Gebet, Nächstenliebe

Im ersten Haus wissen die Menschen wenig von ihrer Seele. Alle ihre Bemühungen sind auf die rohe Einfassung, auf die „Mauern“ unserer Burg gerichtet (Körper und alle grobstofflichen Dinge).

Aber nur in den innersten Räumen spricht die Seele mit Gott – wir sollen darum der Seele in diese Innenräume folgen.
Die Tür nach Innen ist das Gebet und die ständige Betrachtung der dunklen Mauern, was der Selbsterkenntnis dient, über die man allein den Weg zu den Innenräumen, zum „Lichtkern“ findet.  Konsequente Selbsterkenntnis führt zur Demut.
Über die Demut ist die Suche nach Gott nur möglich. Sich selbst erkennen, heißt Gott suchen und nicht bei der Betrachtung des eignen Elends stehen bleiben. Wahre Selbsterkenntnis ist darum die einzige Möglichkeit, die erste Wohnung verlassen zu können.
Auf dieser ersten Stufe braucht der Mensch noch sehr viel Zuflucht zu Gott, d.h. er bitte um Barmherzigkeit, weil alle Bilder (Vorstellungen) dieser ersten Stufe sehr armselig sind.
Der Lichtkern wird darum noch überhaupt nicht wahrgenommen. Man spürt das eigne Licht noch nicht, weil die äußeren Leidenschaften zu stark sind. Sie verstellen den Zugang zum Lichtkern, was zur Folge hat, gegenüber allen Versuchungen ständig zu versagen.
Die einzige Möglichkeit, Gott zu suchen, liegt in der Nächstenliebe – die gegenseitige Liebe ist hier das wichtigste.

II. Haus
Motto: Höchste Tugend ist hier die Beharrlichkeit (Ausdauer)

Ab dem zweiten Haus ist bereits das innere Gebet möglich, weil diese Menschen schon Erkenntnisse haben und darum mehr leiden als die Bewohner des ersten Hauses, die dafür zu stumpf und grob sind. Jetzt glauben sie bereits an Gott, fallen aber oft noch den Versuchen der Welt zum Opfer und frönen ihren Leidenschaften (1. Haus).
Ausdauer ist notwendig, weil der Glaube von diesen Menschen noch sehr leblos ist. Auch können die Seelen auf dieser Stufe noch nicht mit dem Trost Gottes rechnen, sondern ganz im Gegenteil: Sie müssen an ihren Leiden erstarken und  werden aufgefordert, Gottes Willen zu folgen ohne Trost und Sicherheit. Hart gegen jeden Zweifel angehen, denn nur so kann ein wirklich starkes Fundament gelegt werden.
Versuchungen sind als Prüfungen notwendig.

III. Haus
Motto: Äußeres Gewissen, Moral, Kontrolle durch den Verstand.

Noch lebt man in der Furcht Gottes (Altes Testament) – man hat den Ehrgeiz, schon weiter sein zu können – innere Forderung nach Höherstufung. Diese Absichtlichkeit verhindert den Aufstieg.
Hier hilft nur Demut – auf der dritten Stufe belehrt man gern andere, weil man die eigne Tüchtigkeit zum Maßstab setzt und sie als eignes Verdienst empfindet. Man will weiter voran, das jedoch ohne eignes Risiko.
Darum sucht man todsichere Methoden (Yoga, Meditation, Rosenkranzbeten etc.) Diese alle führen nicht zum Ziel, sondern einzig und allein die Betrachtung der eignen Fehler und der absoluten Nichtigkeit der eignen Leistungen – denn bis zur dritten Stufe ist man nicht durch eigne Kraft gelangt, sondern durch die Hilfe Gottes. Man meint, geistige Tröstungen schon zu erlangen. Diese aber gehen noch über unser Bewußtsein und erzeugen so den Eindruck, daß die erzielte Freude unseren eignen Anstrengungen zu entspringen scheint.
Die wahre Freude, daß sich der eigne Wille mit Gottes Willen vereint, erlangt man nur über die Gnade, die man nie verdient hat. Man erlangt sie nur über die Demut und das Leiden und bekommt diese Gnade meist dann, wenn man am wenigsten daran denkt.

IV. Haus
Motto: Gebet der Vereinigung

Weniger denken, mehr lieben – dieses Haus stellt eine Art Verlobung dar, bei der sich Seele und Gott noch kennen lernen müssen. Ab jetzt ständiger Besuch beider, wobei die Seele bei Gott ist, aber das Bewußtsein noch nicht.

Geduld, Herzensgebet und Meditationen sind angesagt. Ab jetzt sind übernatürliche Sammlungen möglich, obwohl natürliche und übernatürliche Phasen sich noch vermengen. Darum ist dieses Haus auch noch viel gefahrvoller als die folgenden Häuser.
Die Seele geht in sich und die äußeren Dinge verlieren mehr und mehr an Bedeutung, weil man Gott jetzt im Inneren sucht. Das aber geht weder über den Verstand noch über die Einbildungskraft. Es handelt sich dabei um ein sanftes Zurückweichen ohne bewußtes Wollen. Dabei widerfährt es denjenigen ganz leicht, die die Gedanken und Vorstellungen loslassen. Nicht dabei denken, sondern sich nur öffnen – Herzensgebet und liebende Hingabe.
Erst danach soll man alles Erfahrene überdenken. Das Meiste geschieht jedoch ohne unser bewußtes Zutun.
Schweigen – Beten – Buße. Nichts dabei forcieren – alles geschehe sanft – nur wenn der Verstand stillsteht, kommen die Erleuchtungen, die jede intelligible Erkenntnis völlig überstrahlen. Dabei werden wir ohne zu wissen unterrichtet. Logische Schlußfolgerungen einstellen, was jedoch nicht bedeutet, das Erlebte nicht zu überdenken. Nicht das Wesen begreifen wollen, sondern es in Liebe erleben.
Das Gebet der Sammlung bedeutet eine Ausweitung der Seele, die wie eine überlaufende Quelle ist und jetzt sehr viel Zuversicht besitzt. Die Seele schreckt auch nicht mehr vor Leiden zurück.
Aber wer so weit ist, sollte sich hüten, Gott zu beleidigen, denn seine Seele ist noch wie ein kleines sehr verletzliches Kind. Auch gibt es noch sehr viele Anfechtungen. Die größte Gefahr besteht darin, in Trance durch Meditationen zu versinken. Das verwechselt man dann leicht mit Verzückungen. Es ist aber weiter nichts als das Genießen von Dösen, was reine Zeitverschwendung ist.

V. Haus
Motto: Gehorsam

Ab jetzt sind Zweifel nicht mehr möglich.
Im 5. Haus vollzieht sich die wahre Vereinigung. Es gibt trotz der Leiden einen Frieden, weil die Leiden sehr edel sind. Trotzdem will man ständig die Welt verlassen, und nur der Gedanke an Gott hält uns zurück, um in dieser Verbannung weiter auszuhalten. Man erreicht zwar meist eine äußerliche Gelassenheit, das aber nur unter sehr vielen Tränen.
Wer im 5. Haus ist, hat bereits für viele Seelen Verantwortung. Versagt man dabei, so zieht man auch andere jetzt mit herunter, denn man ist nicht mehr nur für sich alleine da.
Erst jetzt empfindet die Seele tiefsten Schmerz, der nicht mehr vergleichbar ist mit den Leiden früherer Wohnungen. Man fühlt sich oft wie zerrissen, und das kommt daher: Die Seele erkennt sich als Eigentum Gottes, dem sie ihre Liebe zurück bringen will. Man hat darum ein ständiges unbeschreibliches Heimweh und eine Sehnsucht nach etwas, was man nicht beschreiben kann. „Mit Sehnsucht habe ich nach dir verlangt…….“ (Lukas 22/15) Das ist das wahre Leiden Christi. Nur darin liegt die Bereitschaft, auch irdische Schmerzen auf sich zu nehmen. Diese sind viel geringer als die Leiden dieser Sehnsucht. Vor allem sieht man ständig, wie viele Menschen zum Teufel gehen. Die Leiden Christi nur von einem Tag füllen viele Leben gewöhnlicher Menschen an Leiden aus.
Lauheit ist eine große Gefahr, immer wachsam sein und keinem Verlangen nachgeben und alle Versuchungen dankbar als Prüfungen empfangen. Man hüte sich schon davor, sich sicher zu fühlen.

VI. Haus
Motto: Je größer die Gnade, um so größer sind die Leiden

Die Seele wird jetzt „Braut“ und die Seele verlangt nach dem Bräutigam. Das ist sehr qualvoll. Wenn die Seele nicht um den Bräutigam wüßte, würde sie es nicht ertragen – dabei sind Leiden oft übermächtig.
Es gehört viel Mut dazu, denn es erscheint immer, als ob alles verloren wäre. Oft sind es besonders geliebte Menschen, die einem den größten Schmerz zufügen. Man wird viel mißverstanden und verleugnet, was zu einer totalen Vereinsamung führt.
Ab jetzt sprechen Engel zu uns – man wird leicht zum Gespött, wobei Lob wie Beschimpfung gleich verletzend empfunden werden.
Man wird überempfindlich, Gott zu verletzen, und man empfindet über die Menschen Schmerzen.
Oft schwere Krankheiten mit viel Schmerzen – meist äußerst heftig, nicht sehr lange. Das dient dazu, Geduld zu erlernen. Allerdings sind diese körperlichen Schmerzen gering zu erachten neben denen der Seele.
Man kann sich schwer oder gar nicht mehr verständlich machen und ist völlig dem Erbarmen anderer und der Erleuchtung ausgeliefert. Betrachtungen helfen gar nichts mehr. Alles erscheint oft wie eine Täuschung und man fühlt sich verraten. Vor allem hilft kein irdischer Trost mehr. In dieser verzweifelten Situation hilft kein Lippengebet mehr und das innere Gebet ist nicht mehr möglich. Einerseits schadet Einsamkeit, andererseits ist jede Gesellschaft qualvoll. Therese: “Ich weiß kein Mittel dagegen, Werke der Liebe mildern.“
Alle inneren Ansprachen sind von tiefer Einprägsamkeit. Die Echtheit der Ansprache kann man daran messen, wie sehr man danach beschämt ist, auch ist eine echte Ansprache zu ignorieren völlig unmöglich. Wenn dagegen in der Ansprache etwas bestätigt wird, was man selbst gern möchte, dann ist die Ansprache falsch und hinterläßt Unruhe und Verwirrung.
Schauungen sind oft so überwältigend, daß man sie nachher nicht berichten kann – nur Verstandesdinge kann man berichten. Vieles wird übermittelt, was zwar evident ist, aber was man doch nicht in Worte fassen kann.
Alles auf Erden wird ekelerregend neben den Gnaden der inneren Ansprachen. Man hat jetzt ständigen Kontakt mit Engeln. Dabei tritt die Seele aus und große Geheimnisse werden deutlich vor dem geistigen Auge. Danach ist sie immer sehr bereichert, empfindet aber die Welt als sehr gering. Darum empfindet sie auch das Leben voller Leid, weil es hier nichts mehr gibt, was sie hochschätzen kann. Therese: „Es ödet mich alles an!“ Zwar ist die Seele im Innersten sehr ruhig und sicher – andererseits aber auch sehr traurig über ihren Weg hier. Man will am liebsten sterben, weil man befürchtet, hier Gott zu verlieren.
Wenn man so weit ist, muß man aber immer noch bis zum letzten Atemzug Mensch bleiben, denn nur Engeln ist reiner Geist möglich, der Mensch bleibt in seiner sterblichen Hülle, was aber nicht bedeutet, den Körper zu verleugnen – nur mit ihm kann man in die beiden letzten Häuser eingehen. Mit anderen Worten: „Man soll Christus in sich entflammen, bleibt aber auf Erden immer Jesus.“ Wer also nur in den Geistgefilden Gott suchen will, vergeudet Zeit, denn er muß im Körper erlöst werden.
Betrachtungen soll man sehr wohl anstellen, doch nicht mit dem Verstand Schluß folgern, denn das ist einer solchen Seele nicht mehr möglich, vor allem aber nicht die Zeit vergeuden in der Erwartung, was uns noch einmal geschenkt werden könnte. Den Weg gehen genügt. Nie mehr auf geistigen Genuß warten, nur dasein und die Liebe erbringen. Wer noch Wonnen hat, täuscht sich in dem Bereich, in dem er ist. Durchhalten ist alles.
Werden die Schauungen entzogen, empfindet man sich doppelt einsam. Man kann sie nie durch eigene Bemühungen erreichen. Echte Schauungen sind immer erschreckend, weil sie alle unsere Vorstellungen übersteigen. Wenn jemand behauptet, alles deutlich zu sehen, erliegt er einer Täuschung – eine echte Vision stellt sich der Seele unvermittelt dar und alle Sinne geraten durcheinander, und nur die Seele hat Frieden. Solche Gnaden darf man nicht erbitten – das ist geistiger Hochmut, weil wir solche Gnaden ohnehin nie verdient haben. Nur wer tiefe Erkenntnisse erlitten hat, bekommt sie. Heftiges Verlangen danach führt nur zu Einbildungen. Die Leiden jener, die diese Gnaden haben, sind sehr groß. Solche Gnaden sind auch nicht beständig, und dem sie widerfahren, der ist auch nicht heiliger als andere. Sie sind allerdings für die Erkenntnis ungemein förderlich. Wer jedoch ganz auf diese Gnaden verzichtet und sich in Liebe opfert, erringt mehr.
Jetzt erst wird der Seele die Einheit Gottes enthüllt und mit einem Schlag erkennt man die Bosheit der Materie gegenüber Gott. Therese: „Wir alle vollbringen ständig im Palast Gottes selbst unsere Sünden – weil wir gar nicht aus Gott heraus können – das alles erträgt Gott. Also seien wir nicht so empfindlich, wenn wir meinen, uns würde etwas angetan, denn Gott hört nie auf zu lieben.“
Eine weitere Gnade ist es, die Wahrheit evident zu erfahren. Gott ist die höchste Wahrheit. Demut ist ein Wandeln in Wahrheit, denn uns ist nichts. Wer das nicht erkennt, steht in der Lüge.

VII. Haus
Motto: Die Seele ist im Zentrum

Die Seele ist immer voller Licht. Darum ständige Fürbitte für die vielen verdunkelten Seelen.
Die 7. Wohnung ist die der Vermählung: „Mystische Hochzeit“. Was Gott einem mitteilt, kann man nicht mehr beschreiben. Die Seele ist im absoluten Frieden, die äußeren Leidenschaften jedoch nicht. Allerdings hat man eine große Festigkeit der Welt gegenüber erlangt. Es bedarf des Verstandes nicht mehr – alles ist nur noch Staunen und absolute Demut.
Man erlebt alles tief in sich, jedoch weilt die Seele nicht ständig in der Gegenwart Gottes, denn dann könnte so ein Mensch nicht mehr unter Menschen gehen. Allerdings ist die Gegenwart Gottes für die Seele immer erkennbar, was einen großen Trost bedeutet.
Man wird auf große Aufgaben vorbereitet, obwohl die Leiden nach wie vor groß sind. Oft beklagt sich ein solcher Mensch wie Martha über Maria, die sich dem Genuß des Herren hingibt, man selbst aber arbeitet. So beklagt sich der Mensch über die Seele, weil der Mensch selbst keinen Anteil am Zustand der Seele im Zentrum hat. Therese: „Das alles erscheint vielleicht wie ungereimter Zwiespalt, aber es ist so; denn die Seele ist in ihrem Wesen etwas anderes als ihre Fähigkeiten, und das Wesen werden wir erst begreifen, wenn wir hier abgetreten sind“.
Die mystische Hochzeit erfolgt jedoch niemals vollkommen, solange man auf dieser Erde ist; denn die anderen Wohnungen existieren durchaus weiter. Zwar sind die Kämpfe nicht mehr gefährlich für den Frieden der Seele, und doch leidet die Seele zuweilen unter den Querelen der anderen Häuser wie ein König im Palast, wenn in seinem Land Krieg herrscht. Es sind aber nur Ruhestörungen, die der Seele peinlich sind, aber die eigentlichen Leidenschaften sind längst überwunden.
Es herrscht jetzt ein Selbstvergessen der Seele, was nicht bedeutet, daß man seinen Körper darüber vernachlässigt, aber die Motive für das Handeln kann man nicht mehr in den Bildern dieser Welt suchen, weil sich alle Kräfte für Handlungen nach Innen verlagern. Man dient nur noch Gott.
Zuweilen fällt man in die Versuchung zurück, diese Verbannung zu verlassen – besonders wenn man spürt, wie wenig man hier erbringt und leistet. Darum ist das kostbarste Opfer, was man erbringen kann, im Leben auszuhalten. Den Tod fürchtet man ohnehin nicht.
Die großen Gnaden, die eine solche Seele erhält, dienen nur der Liebe zum Herren. Es nutzt nichts, die Gnaden für sich behalten zu wollen und damit sich in Tugenden zu üben. Nur das, was wir in Liebe umsetzen, lebt. Geistiges Leben heißt: Sklave Gottes zu sein unter dem Zeichen des Kreuzes, was das Fundament der Demut ist.

Quellen:
Therese von Avila / Die Innere Burg