Schematische Darstellung des inneren Weges nach Margareta Porete (um 1250/1260 im Hennegau; † 1310 in Paris). Sie war eine französische theologische Schriftstellerin

„Spiegel der einfachen Seelen“.

1. Zustand: Ausgang des Sündenzustandes
Die moralischen Gebote halten – Leben gemäß der Natur, nach den Gesetzen und
Nach dem Rat der Natur.

2. Zustand: Leben gemäß den Tugenden, Leben im Verlangen, in Sehnsucht – Leben nach dem Vorbild von Jesus (seinem irdischen Leben) im Bemühen das Leben nach dem Evangelium auszurichten, was jedoch nach wie vor von der Vernunft bestimmt wird. Monastisches Leben ohne Spiritualität, bzw. eine geistliches Leben führen, was letztlich von der Vernunft und dem Willen bestimmt ist. In diesem Stadium des inneren Weges erkennt die Seele ihren eigenen Zustand erst notdürftig. Ist der 1. Zustand ganz unzuträglich, so der 2. Zustand noch zu sehr vom Ich bestimmt. Noch zu viel Wertung, weil man sich noch für etwas hält. Man mißt dem Eigensein, das in Wirklichkeit gar kein eigentliches Sein, sondern lediglich ein Seinhaben, eine aus Herablassung und Huld, nicht etwa aus Schuldigkeit gewährte Teilhabe am wesentlichen Sein ist, noch eine falsche Bedeutung bei. In Wirklichkeit ist die Seele in diesem Zustand im Nichtsein, also ein Nichts. Sie fühlt sich verloren, weil sie einst im Sein war. Sie bleibt verloren, wenn sie weiterhin durch falsche Selbsteinschätzung, durch Eigenwillen und selbstüberhebliche Anmaßung des Ich in diesem Zustand verharrt.

3. Zustand: Man findet allmählich Gefallen an guten Werken und an den Werken der Vollkommenheit. Jedoch ist dieses Gefallen noch immer von Selbstbezogenheit und Eigenwillen bestimmt sowie von eigensüchtiger Anhänglichkeit an eben diese Werke. Erst ab jetzt beginnt der wirkliche Kampf des Geistes gegen den Eigenwillen. – Ferner allmählich zunehmende Erkenntnis und Einsicht in die Unvollkommenheit des eignen Zustandes.

4. Zustand: Forteschrittensein im Leben des Geistes – dabei Übungen in den höheren Formen der Meditation und geistlichen Betrachtung – aber stets noch mit dem Eigenwillen, also ich orientierten Ambitionen und einem Gott fremden Leistungsbestreben verbunden. – Bis zum Ende dieser Etappe im geistlichen Leben handelt die Seele nach Art eines Sklaven, Tagelöhners, Knechts oder Händlers, weil das Trachten nach eigener Leistung und nach Lohn noch immer bestimmend ist. – Allerdings erfolgt in diesem Stadium bei wachsender nicht reflexiver  Erkenntnis der Tod der Vernunft (mors mystica). Bis dahin hatte sich die Seele von der Vernunft in diskursiv gewonnenen Schlüssen unterweisen und beraten lassen. Jetzt übernimmt einzig die Liebe die Führung: Sie erweist sich nämlich nicht nur als Erfüllung des höchsten und alle anderen Gebote zusammenfassenden Gebots, sondern als das Wesen Gottes selbst. Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, ja ist Kind und Sohn Gottes. Damit findet der bisherige Zustand des Verirrtseins im Bereich des Uneigentlichen und des Gottfernen und die Verwirrung und Verdüsterung der in Anmaßung und Selbstherrlichkeit auf sich gestellten Vernunft ein Ende.

5. Zustand: Die Seele stirbt jeglichem Eigenen ab. Sie besteht in einem blinde vernichtigten Leben, d.h. im Nichterkennen und Nichtwollen, denn sie hat erfahren, daß Gott sie in jeder Beziehung völlig übersteigt. So erfährt sie zwar, daß Gott ihre intellektuellen und affektiven Fähigkeiten weitaus übertrifft, doch bezieht sie nun gerade aufgrund dieser „dunklen Erkenntnis“ – dunkel  durch das Überhelle des Lichts – ihre Nahrung aus der Herrlichkeit.

6. Zustand: Der göttliche Blitz eröffnet der Seele in einem hinreißenden Erlebnis die Herrlichkeit: verklärtes Leben für kurze Zeit. – Das Nichtwollen und Nichterkennen führt zur Einheit mit dem Geliebten. Selbst die Bewegung der Liebe (Sehnsucht, Verlangen) kommt in Gott, in dem Punkt, da die Seele einst war, bevor sie geschaffen wurde, zu ihrem Ende. In diesem Sinne führt die Vereinigung mit Gott zur Nichtliebe: durch die Umwandlung in der Liebe, die Gott selbst ist, wird die Seele aus Gnade, was Gott ist. Darin besteht die Ruhe und der alles übersteigende Friede, in dem die Seele in der kurzen Weile auf Erden bereits in der Herrlichkeit für immer verweilt. Dabei stellt die von der Seele in diesem Zustand geübte Indifferenz einen Versuch dar, der Ruhe in Gott gewissermaßen Dauer zu verleihen. So ist die Rückkehr der Seele in ihren Ursprung damit zumindest punktuell erreicht. Unbeschwert und ohne irgendwelche Rückbezüglichkeit auf sich selbst ist die Seele frei.

7. Zustand: Die Seele lebt durch ihre Freiheit von sich selbst unabhängig und außerhalb der körperlichen Existenz (der Körper hält mit, soweit es die ihm eigne Beschaffenheit zuläßt). Schau der Dreieinigkeit Gottes erfüllt sich jedoch erst nach dem Tod, denn erst dann befindet sich eine Seele erst im Paradies, und das ist im Land des Lebens.